Die Kasseler Linke reagiert mit Verwunderung auf den Artikel „Viel Streit um die Linke“ vom 13. Juli 2016. Darin gibt die HNA unkritisch und ausschließlich die inszenierte Empörung von CDU, SPD und GRÜNE über die Protestaktion der Kasseler Linken gegen die AfD wieder.
Bei der konstituierenden Sitzung der Kasseler Stadtverordnetenversammlung am 11. April diesen Jahres versammelten sich über 100 Menschen vor dem Kasseler Rathaus. Sie protestierten gegen den Einzug von acht AfD-Verordneten. Die AfD ist in der Vergangenheit sowohl durch rassistische, frauenfeindliche als auch undemokratische Äußerungen in die Kritik geraten. Bewohner und Bewohnerinnen der Stadt Kassel hielten es daher für angemessen, den Einzug der rechtspopulistischen Partei zu stören.
Bei der Konstituierung versammelte sich auf der Empore des Versammlungssaals eine kleine Gruppe Jugendlicher, die bei der Eröffnung durch den von der AfD gestellten Parlamentsältesten ausrief: „Nationalismus raus aus den Köpfen!“ und ein kleines Transparent entrollte. Sofort wurde die Gruppe von der Polizei umstellt und aus dem Saal entfernt. Die Fraktion der Kasseler Linke solidarisierte sich mit dem Protest. Sie hielt Schilder hoch auf denen „AfD = Mindestlohn weg“ und „AfD = unsozial, rassistisch, frauenfeindlich“ geschrieben stand.
Mirko Düsterdieck, Stadtverordneter der Kasseler Linke, stellte im Nachgang des Protests eine Anfrage, in der er das Vorgehen des Stadtverordnetenbüros am 11. April und das angeforderte massive Polizeiaufgebot kritisierte. Mit keinem Wort erwähnt die HNA Berichterstattung diese Vorgeschichte.
In der vergangenen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung machten CDU, SPD und Grüne vor allem deutlich, dass sie sich durch außerparlamentarische Bewegungen gestört fühlen. Bereits während der Februar-Sitzung sahen sich Jugendliche gezwungen, ihrem Unmut mit der Politik in der “Stadt der Jugend” Gehör zu verschaffen, nachdem ein subkultureller Ort nach dem anderen schließt. Statt die Inhalte ernst zu nehmen, wurde der Protest als störend verurteilt.
Am 11. April zeigte sich das gleiche Bild: Anstatt die reibungslose Integration einer reaktionären, rassistischen und frauenfeindlichen Formation ins politische Alltagsgeschäft zu skandalisieren, wird Menschen, die genau dies tun, unterstellt, sie würden gewählte ParlamentarierInnen unter Druck setzen und nötigen.
Damit machen die etablierten Parteien deutlich, dass sie den Protest gegen den Einzug der AfD für überflüssig halten und sich an anti-rassistischen Aktionen stören. Sie haben lieber die Polizei im Haus, als dass ein paar Jugendliche ein Transparent gegen Nationalismus von der Tribüne hängen. Sie setzen mit der AfD lieber gemeinsam auf Entdemokratisierung und Überwachung durch Einlasskontrollen und Eintrittskarten für die Empore, als auf die sanktionsfreie und demokratische Teilhabe der Kasseler Öffentlichkeit.
“Als Opposition sehen wir unsere Aufgabe darin, kritische Fragen zu stellen und den Menschen, die in dieser Stadt oft überhört werden, Gehör zu verschaffen“, so der Fraktionsvorsitzende der Kasseler Linke Lutz Getzschmann. „Anscheinend gelingt uns das ganz gut, wenn sich die anderen Parteien so sehr an Personen unserer Fraktion stören. Wenn jedoch der Fraktionsvorsitzende Dieter Beig von den GRÜNEN, die in den 1970er Jahren selbst als Protestpartei gestartet sind, mein und Simon Aulepps Verhältnis zum Rechtsstaat infrage stellt, weil wir als Beamte an Protestaktionen gegen die AfD beteiligt sind, stellt das vor dem Hintergrund tausender Berufsverbote gegen Linke in den 1970er und 1980er Jahren eine besondere politische Charakterlosigkeit dar“, so Getzschmann weiter.
Gerade in Zeiten von Politikverdrossenheit und sinkender Wahlbeteiligung, sollte die Priorität eindeutig darauf liegen, das Parlament zugänglicher zu gestalten und Menschen aufzufordern ihr Recht auf Teilnahme an öffentlichen Sitzungen wahrzunehmen. Darin sollten sie bestärkt, statt weiter abgeschreckt werden.