Mit einem Nachtragshaushalt in Höhe von 27,75 Millionen Euro hat Oberbürgermeister Geselle durch die Stadtverordnetenversammlung die Eigenkapitalquote der Gesundheit Nordhessen (GNH) erhöhen lassen um damit den Umbau der Dachgesellschaft der Kliniken in Stadt und Kreis vorantreiben.
Soweit so gut, könnte man meinen. Geselle ist schließlich Aufsichtsratsvorsitzender der GNH und wird schon das Beste für die Gesundheitsversorgung in Nordhessen wollen. Sollte man meinen. Kern seines Umbauplans ist allerdings, die defizitäre Kreisklinik in Wolfhagen zu schließen und stattdessen das Klinikum in Kassel zu stärken, das schwarze Zahlen schreibt, aber in letzter Zeit, auch durch die gewachsene Konkurrenz durch Privatkliniken, niedrigere Gewinne erzielt hat. Dieser Konkurrenz will Geselle begegnen, indem er die Spezialisierung und technische Modernisierung des Klinikums vorantreibt. Das Klinikum soll weiter zu einer leistungsfähigen Gesundheitsfabrik ausgebaut werden.
Damit Geselle seine Pläne umsetzen kann, musste im Frühjahr bereits der GNH-Geschäftsführer Karsten Honsel gehen und wurde ersetzt durch Michael Knapp, der zuvor unter anderem für die Unternehmensberatung Boston Consulting Group in Frankfurt gearbeitet hat und damit für die Durchsetzung einer marktgerechten Sanierung der geeignete Manager zu sein scheint.
Die GNH insgesamt hat im letzten Jahr immer noch einen Überschuss von 270.000 Euro verzeichnen können. Unbestritten ist, dass die Kreiskliniken in Wolfhagen und Hofgeismar Verluste produzieren, im Jahr 2018 waren dies zusammen 3,3 Millionen Euro nach 2,8 Millionen im Jahr 2017. Erzeugt wird diese Verlustrechnung durch die 2004 erfolgte bundesweite Einführung von diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) zur Abrechnung von Gesundheitsleistungen mit den Krankenkassen. Durch diese kommt es nicht nur zu deutlich reduzierten Dauern von Krankenhausaufenthalten (weil ab einer gewissen Liegedauer Patienten dem Krankenhaus schlicht keinen Gewinn mehr bringen, sondern vielmehr Verluste).
Kreiskliniken wie Wolfhagen und Hofgeismar können unter dem DRG-System keine Gewinne erwirtschaften, es sei denn, sie schließen all ihre verlustbringenden Stationen wie die Intensivstation und die Notaufnahme und spezialisieren sich darauf, mit Fachärzten am Fließband gewinnbringende Operationen mit kurzen Liegezeiten vorzunehmen. Zu einer solchen Umstrukturierung sind sie weder in der Lage, noch ist das überhaupt ihre Aufgabe.
Der systembedingte Kostendruck indes hat in den letzten Jahren in Nordhessen bereits zur Schließung von Kreissälen in Helmarshausen (mitsamt der ganzen Kreisklinik), Volkmarsen (in diesem Jahr) und eben an der Kreisklinik in Wolfhagen (vor fünf Jahren) geführt. Geburten rechnen sich eben nicht.
Die Folgen der Klinikschließung wären für die Menschen im Wolfhager Land dramatisch. Das offiziell gewährleistete Ziel einer Erreichbarkeit medizinischer Notfallversorgung innerhalb von 30 Minuten ist in der Praxis unrealistisch, vor allem ohne eigenes Auto. Hinzu kommt der Wegfall an Intensivbetten und Beatmungsmedizin und der Wegfall des Krankenhausangebots angesichts einer alternden Bevölkerung. Zudem zieht die Schließung Folgeprobleme nach sich, wie etwa die Abwanderung von Fachkräften und den Wegfall von Ausbildungsplätzen.
Aber nicht nur die Menschen in und um Wolfhagen leiden darunter: Auch die Kasseler Bürgerinnen und Bürger werden die Folgen zu spüren bekommen, wenn etwa die bereits jetzt völlig überlastete Notaufnahme am Kasseler Klinikum, in der Patienten oft stundenlange Wartezeiten erdulden müssen, in Zukunft noch durch weitere Notfälle aus dem Landkreis gefüllt wird.
Das heißt: Die auf Gewinnmaximierung orientierte Stärkung des Klinikums in Kassel soll auf Kosten der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum erfolgen. Dass dagegen nicht nur die Bevölkerung im Altkreis Wolfhagen sondern auch sämtliche Kreistagsfraktionen und der Landrat Uwe Schmidt Sturm laufen, dürfte kaum jemanden ernsthaft überraschen.
Die autoritäre Gutsherrenart, mit der Geselle seine Pläne gegen die VertreterInnen des Landkreises im Aufsichtsrat der GNH mit seiner Anteilsmehrheit durchgesetzt hat, verstärkt die Erbitterung noch. Nun hat das Landgericht Kassel Mitte Oktober einer Klage des Landrats stattgegeben und entschieden, dass zur Schließung einer Klinik eine Gesellschafterversammlung einberufen werden muss. Diese besteht aus lediglich zwei Personen: dem Kasseler Oberbürgermeister und dem Landrat des Landkreises. Vermutlich wird sich der Rechtsstreit zwischen den beiden noch länger hinziehen. Wichtig ist, dass der dadurch erreichte Aufschub von den betroffenen Menschen genutzt wird, um den öffentlichen Protest gegen den eiskalten Sanierer Geselle und seinen Erfüllungsgehilfen Dr. Knapp noch weiter zu verstärken.
Wir als Kasseler Linken werden nicht dabei mitmachen, Stadt und Kreis gegeneinander auszuspielen. Wir sind für eine bedarfsgerechte und wohnortnahe Gesundheitsversorgung für alle und deshalb werden wir nicht nur die Klinikschließung in Wolfhagen, sondern den vom Oberbürgermeister vorgelegten Nachtragshaushalt insgesamt ablehnen.
Erschienen in der aktuellen linKSzeitung