Am Freitag wurde bekannt, dass das Künstler*innenkollektiv „Party Office“ das Live Programm auf der Documenta beendet. Grund hierfür sind vor allem queerphobe und rassistische Angriffe. Die Gruppe gibt an, dass ihre psychische und physische Gesundheit in Gefahr seien. Das Team der Documenta gGmbH habe sie auch nach dem Angriff nicht unterstützt.
Nachdem drei Mitglieder des Kollektivs letzte Woche die Polizei riefen, weil sie verfolgt und belästigt wurden, wurden nicht die Verfolger von der Polizei aufgehalten, sondern die Kollektivmitglieder. Mindestens eins der Kollektivmitglieder wurde sogar mit Handschellen festgehalten. Begründung der Polizei für dieses Vorgehen waren die fehlenden Ausweispapiere der Kollektivmitglieder.
Wir verurteilen den Polizeieinsatz gegen die Kollektivmitglieder zutiefst und drücken unsere volle Solidarität mit ihnen aus. Es tut uns sehr Leid, dass sie ein solches Szenario erleben mussten. Es ist ein Unding, dass BIPoC Personen (BIPoC = Abkürzung für „Black, Indigenous, People of Color) in Deutschland immer wieder Angst haben müssen, die Polizei zu rufen, weil sie selbst in den Fokus geraten. Immer wieder fällt die Polizei mit rassistischen Übergriffen auf. Gerade die hessische Polizei ist immer wieder verstrickt in Skandale durch rechte Chatgruppen, Verwicklung von Verfassungsschutzmitgliedern in rassistische Morde, Übergriffe im internationalen Studierendenwohnheimen (Max-Kade-Haus) und vieles mehr. Das System Polizei ist gescheitert und muss von Grund auf umstrukturiert werden. Es darf nicht sein, dass marginalisierte Gruppen in stetiger Angst vor staatlichen Strukturen, wie der Polizei leben müssen.
Aber auch queerfeindliche und transfeindliche Übergriffe sind in Kassel leider Alltag. Ob Übergriffe im Park, abends auf der Kasseler Partymeile oder Nazis, die Demonstrant*innen nach dem CSD verfolgen. Immer wieder werden in Kassel queere Menschen bedroht, angegriffen und müssen Gewalt erfahren.
Wir solidarisieren uns mit den Aktivist*innen und Künstler*innen von Party Office und allen queeren Menschen und BIPoC Personen. Party Office ist ein antirassistischer, Kasten ablehnender, trans*feministischer Kunst- und Sozialraum aus Indien. Dieser Raum hätte uns die Möglichkeit geben können, von Party Office zu lernen und uns gemeinsam zu sensibilisieren. Es ist sehr bedauerlich, dass queere Menschen und BIPOCs sich in Kassel so unsicher fühlen, dass sie schnellstmöglich das Land verlassen wollen.
Wir verurteilen vor allem die fehlende Unterstützung der Documenta gGmbH und der Stadt Kassel. Es ist längst überfällig, sichere Räume für BIPoC Personen und queere Menschen zu schaffen. Es wäre längst überfällig, dass die Stadt ihre Verantwortung zum Schutz marginalisierter Personen anerkennt. Stattdessen werden politische Zentren und Austauschräume konsequent geschlossen. Nun entzieht sich die Documenta gGmbh sogar der Verantwortung die anwesenden Künstler*innen zu unterstützen. Das ist nicht unser Verständnis von lumbung!
Lumbung muss ein Platz für alle sein und damit vor allem auch für marginalisierte Menschen, statt für rassistische und queerfeindliche Menschen.
Dafür muss die Documenta gGmbH auch anfangen, sich mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit auseinander zu setzen. Sie müssen ihre Aufgaben und Ziele zum Schutz von marginalisierten Personen definieren, sie müssen ihre Verantwortung in Arbeitsverhältnissen hinterfragen und endlich gute Arbeitsbedingungen schaffen. Wenn die Documenta nicht dazu zu in der Lage ist, müssen sie sich Unterstützung holen. Eine Kunstausstellung kann nur mit der Übernahme von Verantwortung einhergehen und einem offenen Dialog. Mit einer Documenta die tatsächlich gewillt ist, sich zu verbessern. Documenta von unten, nicht von oben herab!
Hier findet sich auch die sehr lesenswerte Stellungnahme des Kasseler bpoc-Festivals zu den Vorgängen:
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