Unsere Bundestagsabgeordnete Violetta Bock hat auf dem diesjährigen Ostermarsch einen Redebeitrag gehalten. Es gab auch viele tolle Redner*innen von anderen Organisationen.
Rede von Violetta Bock, 22.03.2025:
„Warum?
Auf der Gedenkveranstaltung zum Völkermord in Gaza fragte gestern jemand: Warum?
Warum sterben Kinder – und Deutschland schweigt?
80 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus werden Waffenexporte mit „historischer Verantwortung“ begründet. Und wir sollen einstimmen in das Lied der „Kriegstüchtigkeit“?
Ich möchte heute drei Punkte ansprechen.
Viele von uns gehen jedes Jahr zum Ostermarsch. Und doch ist dieses Jahr anders.
Erstens, weil wir eine neue Qualität der Aufrüstung erleben. Die Angst vor dem Feind außen soll nach innen einen und Alternativlosigkeit vorgaukeln.
Die Widersprüche des Systems haben sich weiter zugespitzt. Die Antwort der Regierenden auf die Neuordnung der Welt liegt in der Aufrüstung. Mit der historischen Abstimmung über die Grundgesetzänderungen, die nur kurz nach der Wahl durchgepeitscht wurde, machten sie den Weg dafür weiter frei.
Im Krieg wird eine Antwort auf die ökonomische Krise gesehen. Denn so sehr manche von der Solidarität mit der Ukraine sprechen, einige verdienen gut an dem Krieg in der Ukraine und fürchten, dass er endet. Konversion wird voran getrieben. Doch nicht wie wir uns das seit Jahren wünschen – vom Auto zur Straßenbahn, sondern zur Rüstungsproduktion.
Whatever it takes, Konzerninteressen und alles für den Standort Deutschland. Nicht zufällig wird die neue Koalition unter Merz als Blackrot bezeichnet.
Selbst das Sondervermögen für Infrastruktur dient zur Militarisierung ziviler Bereiche, wie Gesundheit und Straßen und die Wehrpflicht steht plötzlich wieder in der Diskussion.
Gepaart wird dies mit dem Ausbau des autoritären Staats, bei dem die Befugnisse der Sicherheitsbehörden ausgeweitet werden.
Auf das gigantische Aufrüstungsprogramm folgt die soziale Kriegserklärung an die Bevölkerung. Denn jemand muss es finanzieren. Mögliche Verbesserungen – unter Finanzierungsvorbehalt. Durch das Setzen auf Sanktionen gegen Erwerbslose spalten sie die Bevölkerung und erhöhen den Druck. Während viele kaum mehr wissen, wie sie angesichts gestiegener Preise und Mieten über die Runden kommen sollen, konzentriert sich das Vermögen weiter in den Händen weniger.
Hunderte Milliarden Euro sollen in Aufrüstung fließen statt in Gesundheit und Bildung, in den Wohnungsbau oder in den Kampf gegen den Klimawandel.
Das ist der falsche Weg!
Wir müssen zurück kehren auf den Pfad der Deeskalation und Diplomatie. Wir müssen friedensfähig werden, nicht kriegstüchtig! Wir müssen Milliardäre in den Fokus nehmen statt nach unten zu treten.
Zweitens, der Rechtsruck schreitet weiter voran. Schon die Antwort der Ampel war weiter nach rechts zu gehen, im jetzt vorliegenden Koalitionsvertrag ist das Kapitel zur Migration eins der ausführlichsten und grausamsten.
Es wird von gemeinsamen europäischen Antworten gesprochen. Europa – einst für viele Hoffnungspunkt der Überwindung des Kriegs zwischen benachbarten europäischen Staaten. Doch sie meinen: die Festung noch weiter ausbauen und Europa als Player im Kampf um Einflusszonen auf der Welt weiter zu etablieren.
Doch warum hetzen sie so gegen Migrantinnen und Migranten?
Rassismus eignet sich natürlich hervorragend zur Spaltung und Ablenkung von der eigenen neoliberalen Agenda, die Infrastruktur und kommunale Kassen geplündert hat;
Doch dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen, ist das Ergebnis ihrer Politik.
Die Klimakatastrophe, die Lebensgrundlagen zerstört; die Freihandelsabkommen und Kürzungsprogramm, die Perspektiven zerstören; die Kriege, die mit deutschen Waffen beliefert werden, Deals mit Diktatoren wie Erdogan.
Wenn sie Geflüchtete draußen halten wollen, dann, weil sie keine Zeugen wollen.
Zeugen der Unmenschlichkeit im Mittelmeer, in Libyen, in Herkunftsländern.
Durch unsere Freund:innen aus Iran, aus Syrien, aus Afghanistan, aus Palästina, aus Somalia, der Ukraine – und zwar auch den Männern, die eben nicht ihr Leben im Kriegsdienst geben wollen, und all den Ländern, sind wir verbunden mit den Geschichten und Erfahrungen der Welt.
Wer in diese Hetze mit einstimmt oder ihr nur ein Bisschen Raum gibt, kann nicht ernsthaft für Frieden stehen. Wer gegen Kriege kämpft, muss das Asylrecht verteidigen.
Diese Verhältnisse verdienen unseren Widerstand.
Und sie bekommen ihn und damit komme ich zum dritten und wichtigsten Punkt:
Wir erleben nicht mehr nur eine Rechtsverschiebung sondern sind eingetreten in eine Phase der Polarisierung.
Ich stehe hier als eine von 64 Abgeordneten der Linken im Bundestag. Vor einem Jahr hätte das niemand gedacht. Oder zumindest wenige.
Da ist etwa Cansın Köktürk, die es mit der Kufiya bei der Konstituierung gleich in die Bildzeitung schaffte. Da ist Ferat Koçak, der das erste Linke Direktmandat im Westen in Neukölln gewonnen hat, da ist Mirze Edis, Betriebsrat im Stahlwerk, oder Krankenschwestern.
Deswegen nutze ich das hier zum Dank. Vor allem für jene, denen das Hoffnung gibt, weil sie um ihre Zukunft als Frau, als queere Person, als Migrant, als Erwerbslose Angst haben.
Eine neue Generation orientiert sich neu – mit viel Angst im Nacken, mit vielen Fragen und dennoch mit Hoffnung darauf, dass es anders geht.
Daher stehe ich hier auch als eine von über 100.000 Mitgliedern, die sich entschlossen haben am Aufbau einer Bewegung zu arbeiten, die die sozialen Themen in den Mittelpunkt rückt, verankert und internationalistisch verbunden ist. Das ist hartes Brot in solchen Zeiten – aber der Wind hat sich zu unseren Gunsten gedreht. Diese neue Situation müssen wir nutzen.
Und ich weiß, dass manche skeptisch sind, wohin sich meine Partei entwickelt. Auch ich kritisiere die Abstimmung von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat scharf, denn für die Partei, den Parteivorstand und die alte und neue Bundestagsfraktion war das Nein zur Grundgesetzänderung eindeutig. Die Abstimmung zeigt die Anpassung bei Regierungsbeteiligung. Lasst davon die Friedensbewegung nicht spalten sondern rückt enger an die Verbündeten um auf die zuzugehen, die noch unentschieden sind.
Von daher an diejenigen, die heute hier sind und noch nach ihrem Platz in der Bewegung suchen Geschichte wird von Menschen gemacht. Es ist spätestens jetzt Zeit sich zu organisieren.
Organisiert euch, beim Friedensforum, bei Rheinmetall entwaffnen, bei Mütterfürgaza, natürlich gern in der Linken, werbt in Gewerkschaften für einen Antikriegskurs. Ihr alle habt etwas beizutragen und wir brauchen all eure Kreativität und Entschlossenheit, aber auch eure Zweifel, weil nur sie uns zu denen den Weg ebnen können, die heute noch nicht hier sind, weil sie noch Fragen haben.
Denn nur wenn wir den Widerstand gegen das System, das Mensch und Umwelt dem Profit opfert, stärken, kommen wir zu Sicherheit, dem Schutz unseres Planeten, mehr Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden.“
Die anderen Reden findet Ihr in den kommenden Tagen auf der Seite vom Friedensforum:
https://www.kasseler-friedensforum.de/aktuelles
Fotos von Bea Wagner.









